Heimliche Helden: Gerda Seyffarth – Handballleidenschaft seit 79 Jahren

HHV-Ehrenmitglied Gerda SeyffarthSchon um nur das handballerische Leben von Gerda Seyffarth zu beschreiben, benötigt es eigentlich ein Buch. Denn seit 79 Jahren ist die 87-Jährige als Spielerin, Trainerin und in weiteren Funktionen beim SC Alstertal-Langenhorn aktiv und hat dabei viel erlebt. Und von jeder einzelnen der Geschichten weiß Gerda leidenschaftlich zu berichten. Bei diesem langen Zeitraum hilft ihr auch ihre Ordnung in den 51 (!) Bilderalben, um auch kein Erlebnis zu vergessen.

Wie lange Gerda Seyffarth schon für den Handball lebt, veranschaulicht sich, wenn sie von ihren Anfängen berichtet: „Fußball für Mädchen gab es damals noch nicht. Und Handball hat mir schon bei den Sportfesten der Hitler-Jugend Spaß gemacht. Als dann im Verein damit begonnen wurde, war ich sofort dabei“ und weiter: „Reichstrainer Carl Schelenz, der den Handball ja erfunden hat, hat gegen Kriegsende die Gebietsmannschaft der Hitler-Jugend in Geesthacht zusammengerufen. Damals war ich aber noch nicht gut und nur Ersatz.“ Zu diesem Zeitpunkt spielte Gerda bereits seit zehn Jahren Handball und damit ist es nicht übertrieben, zu sagen, dass Gerda Seyffahrt schon immer Handball gespielt hat - denn viel früher gab es diesen Sport noch nicht. „Nach dem Kriegsende 1945 war ich 18. Da konnten wir unser Abitur zunächst nicht machen, weil die Schule noch von den Engländern belegt war. Und unsere Sporthalle war in der Nazi-Zeit mit Weizen gefüllt“, berichtet sie weiter. Das Abitur konnte Gerda dann 1947 machen und im Anschluss daran – nach einigen Schwierigkeiten – studieren, um später Lehrerin zu werden.

Mit dem Sport ging es nach dem Krieg relativ schnell wieder voran und schon 1946 wurden die ersten Spiele gegen Urania ausgetragen – damals natürlich noch auf dem Großfeld. „Das war im Vergleich zu heute zwar ein anderes Spiel, aber ein riesen Spaß, vor allem, als wir 1952/53 Deutscher Meister geworden sind“, berichtet Gerda von ihrem ersten großen Erfolg. Ein weiteres Erlebnis war 1961 ein Besuch der Herren und Damen von Alstertal in Leipzig: „Das war schon spannend, in der Ost-Zone zu sein. Wir haben bei unserer Reise schon Geld für den Gegenbesuch gesammelt, zu dem es aber leider nicht mehr gekommen ist.“ Bereits 1948 begann auch Gerdas Laufbahn als Trainerin. In dem Jahr wurde ihre weibliche C-Jugend gleich Hamburger Meister und auch davon gibt es natürlich noch Fotos. In den folgenden Jahren wurden viele verschiedene Mannschaften von Gerda trainiert, wobei es ihr immer wichtig war, auch außerhalb des Trainings etwas Besonderes mit den Kindern zu unternehmen: „Wir waren in jedem Jahr unterwegs. Mal nach Puan Klent auf Sylt oder Appenrade oder übers Wochenende in die Heide. Das ist für die Kinder wichtig und trägt ungemein zur Gemeinschaftsbildung bei.“ 1974 war Gerda Seyffarth auch dabei, als die wohl jedem Handballer in Hamburg bekannte Halle in Alstertal eingeweiht wurde und sie erzählt stolz: „In den folgenden Jahren hatten wir irgendwann vier Mannschaften in jeder Altersgruppe. Das waren so 40 Teams und damit waren wir die größte Abteilung in Deutschland. Und obwohl wir nur unsere eine Halle hatten, haben wir viele Erfolge und auch deutsche Meister gehabt. Der Höhepunkt war 1981, als wir mit der weiblichen D, B und A-Jugend sowie der männlichen D-Jugend Hamburger Meister geworden sind. Die weibliche A-Jugend wurde dann sogar Deutscher Meister“, erinnert sich die Trainerin, als wenn es in der letzten Saison gewesen wäre.

Auch über ihre Arbeit als Lehrerin und Trainerin hinaus war die Mutter von drei Söhnen immer für Alstertal aktiv. Beispielsweise im Jugendausschuss oder als Turnlehrerin und später als Vereins-Jugendleiterin. Ein weiteres Engagement galt dem Kampf gegen Rassismus. „Das war nicht einfach, weil der Vorsitzende rassistisch war und es nicht gut fand, dass wir überall Aufkleber angebracht haben. Heute ist nur noch ein Schild an der Halle davon übrig“, so Gerda.

Gemeinsame Reisen und Aktionen mit den Kindern und Jugendliche spielten damals weiterhin eine wichtige Rolle, ebenso wie Mini-Spielfeste, die 1990 zum ersten Mal durchgeführt wurden, worüber sie berichtet: „Wir waren jedes Jahr gemeinsam auf der Eisbahn. Da durften wir immer umsonst rauf, weil ich den Sohn des Besitzers von Drogen zum Sport gebracht habe. Dafür war er mir jahrelang dankbar.“ Darüber hinaus hat Gerda auch einen Versuch unternommen, Asylbewerber zu integrieren, was allerdings, nach eigener Aussage, relativ schwierig war. Ein weiteres besonderes Erlebnis war der Besuch von Bürgermeister Henning Voscherau bei einem Turnier zum 25-jährigen Jubiläum 1994. „Das war der einzige Bürgermeister, der zu so etwas mal gekommen ist. Der fand es aber toll und hat dort sogar einen ehemaligen Mitschüler getroffen“, erzählt sie.

Ein Jahr später war für Gerda dann nach 60 aktiven Jahren als Handballerin Schluss und es gab ein Abschiedsspiel für Alstertals Nummer 5. Zudem wurde ihr vom Staat eine Medaille für „Treue Arbeit im Dienste des Volkes“, für 50 Jahre ehrenamtliche Jugendarbeit verliehen.

Als Trainerin ging es hingegen zunächst weiter. Mit verschiedenen Jugend-Mannschaften und weiterhin jährlichen Reisen, bis auch diese Zeit, nach 60 Jahren als Jugend-Trainerin, vorübergehend endete. Doch so richtig aufhören konnte Gerda trotzdem nicht: „Ich war dann Betreuerin bei unseren Herren und habe die Berichte geschrieben. Als ich bei denen aufgehört habe, habe ich bei den zweiten Herren weitergemacht und dann bei den Senioren. Das macht mir ja Spaß und so bleibe ich in Kontakt mit den Leuten im Verein.“ Zu dieser Saison hat Gerda dann doch nochmal eine Mannschaft übernommen und trainiert die 4. Damen von Alstertal/Langenhorn, die sonst keinen Trainer gehabt hätten. Zum 75. Geburtstag erhielt Gerda vom Vorstand des Vereins übrigens ein besonders passendes Geschenk: Den „Gerda-Seyffarth-Preis“, der in jedem Jahr einem Alstertaler Trainer verliehen wird, der eine Mannschaft in ihrem Sinne trainiert – besonders engagiert und nicht nur zu den Trainingszeiten, sondern auch darüber hinaus. Beim Hamburger Handball-Verband war Gerda Frauenwartin sowie im Ausschuss des Sportbundes und ist seit 2001 Ehrenmitglied im HHV, dessen Präsident Rolf Reincke über sie sagt: „Gerda ist seit vielen Jahren Ehrenmitglied im Hamburger Handball-Verband. Wenn wir Kontakt miteinander hatten, hat sie mich immer wieder mit den Erfahrungen aus ihrer handballerischen Vergangenheit und ihrem Engagement beeindruckt. Sie spornt uns immer wieder an und motiviert uns, die Geschicke des Verbandes in die richtigen Bahnen zu lenken.“

Aber auch abseits der Halle war und ist Gerda Seyffarth überaus aktiv. So ist sie z. B. 40 Jahre lang Ski gelaufen – bis das Knie nicht mehr mitgemacht hat - und sie mit 70 begonnen hat Tennis zu spielen. Damit war mit 80 zwar auch Schluss, aber momentan lernt Gerda noch Spanisch und Malen, geht einmal pro Woche ins Fitness-Studio und macht zudem jeden Morgen 10 Minuten gymnastische Übungen. „Dazu muss ich mich zwar zwingen, aber das hält mich fit und gesund.“

Nun ist in ihrer langen Liste verdientermaßen noch ein weiterer, kleiner „Titel“ hinzugekommen: Hamburgs erste heimliche Handball-Heldin!

Kategorie: