Handballprofis: Keine Zeit für Elternzeit

Torsten JansenWie die Hamburger Weltmeister und mehrfachen Familienväter Toto Jansen und Jogi Bitter Familie und Leistungssport unter einen Hut bringen

Matteo Bitter erzählte neulich im Kindergarten, dass er Handballer werden wolle. Neben all den Polizisten, Feuerwehrmännern und Raumfahrern in spe wirkte er etwas verloren, und irgendwann kamen auch die Tränen, weil er auf Nachfrage der anderen gar nicht richtig erklären konnte, was denn ein Handballer so macht.

Johannes Bitter erzählt das mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Natürlich tat ihm sein mittlerer Sohn leid, denn Papa Bitter selbst hat ihn durch seinen Beruf ja gewissermaßen in diese Bedrängnis gebracht. Es sei ja auch schwer, stolz auf den eigenen Papa zu sein, dessen Erwerb darin bestehe, sich mit kleinen, recht schweren und harten Bällen bewerfen zu lassen, sagt Bitter. „Ich habe dann versucht, ihm zu erklären, worin genau meine Aufgabe besteht“, erzählt Bitter, „aber wie es dann so ist – mitten in meiner ausschweifenden Erklärung hatte der Kleine schon das Interesse verloren.“

Johannes BitterStolz sind Matteo und Jonathan Bitter, 4 und 6 Jahre alt, aber trotzdem auf ihren Papa, den Handball-Weltmeister von 2007. Vor allem, wenn sie mal mit in die Halle dürfen und hören, wie die Zuschauer klatschen, nachdem Papa einen Ball abgewehrt hat. Kinder bei Heimspielen des HSV Hamburg, das ist in schöner Regelmäßigkeit zu betrachten. Gerade bei Nachmittagspartien bevölkern gleich mehrere kleine Handballmannschaften in Trikots der Väter die Tribünen und Umläufe der Halle, sind kleine Kinder auf den Armen ihrer stolzen Papas selbst bei Interviews Normalität.

Der 31 Jahre alte Johannes Bitter und der sechs Jahre ältere Kollege Torsten Jansen, ebenfalls Weltmeister 2007, bilden zusammen ein eigenes Team – drei Kinder hat Bitter mit seiner Ehefrau Bernadette, gar vier zwischen einem Jahr und acht Jahren haben die Jansens, Anke und Torsten.

Die beiden haben sich viele Gedanken über eines der Megathemen dieser Zeit gemacht: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und manchmal haben sie sich auch komisch gefühlt – wenn wieder einer im Bekanntenkreis Vater geworden war und stolz erzählte, bald in Elternzeit zu gehen. Eine berufliche Auszeit, die im Profisport unmöglich erscheint. Bitter sagt: „In einer kleinen Mannschaft wie im Handball ist es schwierig, sich zu verabschieden. Einige Mitspieler würden es vielleicht sogar verstehen. Aber es wäre ganz schwer, es im Profisport zu verantworten. Ich frage mich selbst, warum eigentlich? Vielleicht, weil die aktive Zeit als Profi so kurz ist und es daher nicht angebracht scheint, sich rauszuziehen. In einem normalen Job findet sich leichter jemand, der dich vertritt.“

Torsten Jansen sieht die Notwendigkeit, aber er selbst hat sich auch nicht getraut, Elternzeit zu nehmen. Er fragt rhetorisch: „Warum sollte der Mann nicht erleben, wie es ist, mit dem Kind allein zu sein? Wie wäre das, nicht mal eben zum Training gehen zu können und eine Stunde Kraftübungen dranzuhängen, weil zuhause ja jemand aufpasst? Der 24-Stunden-Dienst, sieben Tage die Woche – mal umgekehrt. Diese Erfahrung täte jedem Vater gut.“ Die Sätze bleiben im Konjunktiv.

Aber Bitter lässt das Thema keine Ruhe, er setzt nach: „Toto und ich habe eine emotionale Elternzeit. Ich bin oft fünf bis sechs Stunden mit unserem Kleinsten allein Das ist ein Privileg für die Bindung. Dafür bin ich am Wochenende weg, das ist anstrengend für die Frau – gerade, wenn es regnet und sie weiß, dass 48 Stunden ohne Partner vor ihr liegen. Bei mir kommt es nur zwei-, dreimal im Jahr vor, dass ich am Wochenende allein mit ihnen bin. Das ist anstrengender als jedes Training.“

Und wie ist der Alltag, wenn man alle drei Tage spielt, immer unterwegs ist? Gedanken an die Familie auf dem Spielfeld, den kranken Sohn, die Mathe-geplagte Tochter, die genervte Ehefrau? Das dann doch nicht.

Aber einen Stich Trennungsschmerz, den spüren beide, wenn sie die Sporttaschen schultern für den nächsten Einsatz – zumindest manchmal. „Schlechtes Gewissen ist der falsche Ausdruck“, sagt Torsten Jansen. „Es ist für alle eine Gewöhnungssache.“ Nicht nur einmal hat er den Satz gehört, dass Papa doch so selten da sei. Seine zweitälteste Tochter will immer wissen, wann er endlich aufhört. Aus der Nationalmannschaft ist Jansen wegen der Belastung schon 2011 zurückgetreten, auch Bitter pausierte seitdem – kehrte aber jüngst mit Blick auf die für den deutschen Handball so elementar wichtigen WM-Qualifikationsspielen gegen Polen zurück.

Und es hat ja nicht nur Nachteile, Profisportler und Vater zu sein. Die Kinder morgens wegbringen, nach dem Training einkaufen, das Mittagessen kochen, kurz staubsaugen: für Jansen und Bitter ist das normal.

Weil beide Familien lange Betreuungszeiten in Kindergarten oder Schule gewählt haben, bleibt manchmal wenig Zeit für Vereinssport. Trotzdem liegt Bitter und Jansen die Keimzelle des deutschen Sports am Herzen. Bitter sagt: „Wir sind trotzdem im Verein. Das muss man unterstützen. Ich hole die Jungs aus dem Kindergarten ab, dann gehen wir turnen im Sportverein.“ Die Jansens handhaben es ähnlich.

Denn ob der Papa Handballer ist oder einen ähnlich „komischen“ Beruf hat: Hauptsache, er hat möglichst viel Zeit. Das ist, was zählt. Und da schneiden die beiden nicht so schlecht ab.