Marlies Kamleitner: Eine Olympiateilnehmerin an der Seitenlinie der D-Jugend

Marlies KamleitnerDie ehemalige Handball-Nationalspielerin Marlies Kamleitner, geb. Waelzer, beendete 2004 nach 18 Jahren Leistungssport ihre Karriere. Heute ist sie glücklich als freiberufliche Architektin, zweifache Mutter und Trainerin einer Jugendmannschaft beim Hamburger Kultklub FC St. Pauli. Der Verein, der dank seiner Fußballer deutschlandweit bekannt ist, hat in den letzten Jahren auch begonnen, sich im Handball einen Namen zu machen.

St. Pauli und Handball – passt das überhaupt zusammen? „Es passt sehr gut“, sagt Kamleitner grinsend. Die Erwachsenenteams verzeichnen einen enormen Zulauf, die 1. Männermannschaft steht in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein zurzeit im oberen Drittel, doch was noch fehlt, ist die breite Basis im Nachwuchs. Wie alle Vereine muss St. Pauli um die Kinder und Jugendlichen kämpfen, hat dabei jedoch einen entscheidenden Vorteil, glaubt Kamleitner: „Die Leute finden es cool, in so einem Kultverein zu spielen – das können wir ausnutzen.“

Seit Mai 2011 trainiert Kamleitner bei St. Pauli eine Mädchenmannschaft, im Sommer ist sie mit ihnen in die D-Jugend aufgerückt. Sie habe viel Spaß am Trainieren, sagt sie, „mehr, als ich vorher gedacht hätte.“ Die Begeisterung ist ihr anzusehen. Lebhaft erzählt sie vom Training und davon, „wie die Augen der Mädchen funkeln“, wenn sie ihnen Tricks zeigt und welche Fortschritte die Mädchen machen. Nachdem sie monatelang mit nur sieben oder acht Mädchen trainierte, kann sich Kamleitner im Moment auch noch über einen enormen Zulauf freuen – bis zu 15 Mädels hatte sie zuletzt im Training. Die Teilnahme am ‚1. Norddeutschen Trikottag‘ war also auch für ihre Mannschaft ein „voller Erfolg“, wie die ehemalige Bundesligahandballerin es bezeichnet: „Das war eine super Sache. Alle Vereine sind in einer ähnlichen Situation, was die Nachwuchssichtung betrifft und umso wichtiger sind Aktionen wie diese.“

Zweimal die Woche trainiert sie mit ihrer Mannschaft, der Verein unterstützt sie durch einen Babysitter für ihre Kinder, eines vier Jahre, das andere zehn Monate alt. „Mit zwei Kindern ist es natürlich nicht einfach“, so Kamleitner, „aber ich möchte meine Mädchen weiter trainieren. Man sieht einfach, wie sehr sie Lust auf Handball haben.“ Dabei rutschte Kamleitner nach sechs Jahren Handballabstinenz 2011 eher zufällig in den Trainerjob. Doch das entpuppte sich als Glücksfall – für sie und ihre Mannschaft. „Es ist das Gesamtpaket, das mich am Trainerdasein fasziniert. Ich merke, dass ich mit dem Kopf und dem Herzen dabei bin und wie früher als Spielerin zu 100 Prozent mitgehe.“ Das ist gerade bei Spielen unübersehbar. Sie gestikuliert, gibt Anweisungen und manchmal scheint sie es nicht mehr an der Bank zu halten: „Wenn ich beim Spiel an der Seitenlinie stehe, möchte ich am liebsten selbst aufs Feld rennen“, erzählt die 43-jährige lachend. Doch selbst wieder aktiv anzufangen, ist für Kamleitner keine Alternative – gerade weil der Handball mehr als ihr halbes Leben ihr ständiger Begleiter war: Neun Vereine, fünf Deutsche Meisterschaften, vier Pokalsiege, zwei Europapokalsiege und 1996 – der Höhepunkt ihrer Karriere – die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Atlanta. Heute sagt sie rückblickend: „Meine Karriere war ein intensiver Lebensabschnitt und eine super Zeit.“

Mit 17 Jahren gelang Kamleitner der Sprung in den Leistungshandball, als sie mit der A-Jugend des TuS Alstertal die Deutsche Meisterschaft gewann und wenig später mit den Frauen in die Bundesliga aufstieg. „Das war sensationell“, erinnert sie sich. „Doch mit unserer jungen Mannschaft sind wir gleich wieder abgestiegen.“ Kamleitner verschlug es so zum TV Lützellinden, damals eine namhafte Adresse im Frauenhandball. „Mit Lützellinden habe ich meine ersten beiden Titel geholt – zweimal die Deutsche Meisterschaft“.

Mit einem erneuten Wechsel nahm ihre Karriere nochmal Schwung auf: Mit dem TuS Walle Bremen holte sie zwischen 1994 und 1996 dreimal in Folge den nationalen Titel. Es war ein extrem stressiger Alltag zu dieser Zeit: Architektur-Studium in Hamburg, Bundesliga-Handball in Bremen – „das war der reine Wahnsinn“. Doch der Aufwand zahlte sich aus: Im Sommer 1996 kam die überraschende Nominierung für die Olympischen Spiele in Atlanta. Wenn sie sich an die Spiele erinnert, glänzen ihre Augen noch heute. „Fantastisch“ sei es gewesen, „unglaublich“ und „beeindruckend; auch, wenn eine Medaille als Sechster verpasst wurde.

Nach den Olympischen Spielen hatte der Alltag die Nationalspielerin jedoch schnell wieder – ihre erfolgreiche Bremer Mannschaft löste sich auf. Nach Stationen beim Buxtehuder SV und Buntekuh Lübeck beendete sie 2004 nach 18 Jahren Leistungshandball ihre Karriere. 2007 zog sie zurück nach Hamburg, wurde Mutter und fand vier Jahre später in St. Pauli den zehnten Verein ihres Handballlebens. Will sie nun auch als Trainerin weiter nach oben? „Ich möchte in den nächsten ein, zwei Jahren mit den Mädchen etwas intensiver arbeiten, da ich das Gefühl habe, dass sie es selber einfordern. Mein Ziel ist es den Kindern in dieser Zeit eine sportlichen Grundlage zu ermöglichen, egal, ob sie später Handball spielen oder andere Sportarten wählen, damit sie diese immer wieder „abrufen“ können. Sie möchten sich weiterentwickeln - alles andere wird für sie langweilig.“

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