„Stärken stärken“ – Interview mit Sportmentaltrainerin Maike Koberg

Maike KobergSeit zehn Jahren arbeitet Maike Koberg als ausgebildete Sportmentaltrainerin und genauso lange zählt die 46-jährige Handballmannschaften aus den unterschiedlichsten Leistungsklassen zu ihren Klienten. Die Hamburgerin arbeitete mit Mannschaften des Deutschen Handballbundes bereits genauso wie mit Frauenbundesligisten oder Jugendteams aus dem Leistungs- und Breitensport. Im Interview spricht Koberg, die einst selbst in der 2. Bundesliga aktiv war, über die Vorteile des Mentaltrainings für Handballmannschaften und gibt Tipps, wie jeder Trainer sein Team schon mit einfachen Mitteln im Training mental stärken könnte.

Frau Koberg, das Mentaltraining im Sport erfährt seit einigen Jahren einen stetigen Bedeutungszuwachs, sowohl im Einzel- als auch im Teamsport. Was für Vorteile hat eine Handballmannschaft konkret vom Mentaltraining?

Handballmannschaften, die Mentaltraining anwenden, präsentieren sich auf dem Spielfeld anders und gewinnen eine andere Vorstellung davon, wo sie als Team in ihrer Entwicklung stehen. Es gibt Fragen, die jede Mannschaft, sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport, damit für sich beantworten kann: Wo befinden wir uns gerade und wo wollen wir noch hin? Sprich: Was sind unsere Ziele und wohin wollen wir uns im Training in den nächsten Wochen entwickeln? Doch das darf sich nicht auf reine Ergebnisse beschränken. Die erfolgreiche Auseinandersetzung mit diesen Fragen lässt sich mit mentalem Training deutlich schneller erreichen und in das Training integrieren – das ist unabhängig davon, in welcher Liga man spielt.

Die meisten Mannschaften nehmen sich doch aber nun einmal vor, wo sie am Ende in der Tabelle stehen wollen, weil das am greifbarsten ist – und am einfachsten zu „kontrollieren“.

Natürlich ist es sinnvoll, die reinen Ergebnisziele neben den vereinbarten Prozesszielen her laufen zu lassen; zumindest, wenn sie realistisch sind. Aber durch Prozessziele wie das Schulen einer neuen Abwehrformation wird teilweise der Fokus mehr auf das Erreichen des Prozessziels gelegt, um darüber das Ergebnisziel zu erreichen. Durch diese Fokussierung kann der Druck von den Spielern genommen werden.

Was für Möglichkeiten haben Trainer im Breitensport, die weder die personellen noch die finanziellen Möglichkeiten für einen ausgebildeten Mentaltrainer haben, in ihrem Training in diese Richtung zu arbeiten?

Im Training kann man ganz leicht beginnen, die Stärke zu schulen, mit der man als Mannschaft auftritt. Im Handball höre ich ganz oft von Mannschaften, was sie alles nicht können. Ich würde mir wünschen, dass sich die Trainer mit ihren Spielern auch mal gemeinsam darauf besinnen, was schon da ist und was man darauf aufbauend noch braucht. Das kann ich einfach in die normale Kommunikation im Training integrieren. Bei Jugendmannschaften ist es zudem wichtig, im Training immer wieder zu reflektieren, warum man eine Übung macht, damit die Jugendlichen den Gewinn begreifen. Zusammenfassen ließen sich diese Maßnahmen wahrscheinlich mit: Stärken stärken, Reflexion durch knappe Kommunikation und neben dem Teamziel auch immer individuelle Ziele ausgeben - für jeden einzelnen Spieler.

Diese individuellen Zielabsprachen wären für ehrenamtliche Trainer, die neben ihrem Amt noch Vollzeit arbeiten, ein enormer Zeitaufwand. Warum würde sich diese Mühe lohnen?

Wir haben im Handball ganz häufig immer nur das Ziel als Team; den Gedanken, was man als Team erreichen will. Doch auch Handballer sind in gewisser Weise Einzelsportler, denn jeder ist anders und braucht die Rückendeckung seines Trainers – nicht nur als Teil des Teams, sondern als individuelle Person. Ein Feedback, was jeder einzelne für sich in den nächsten Wochen erreichen soll und die Aussage, was der Trainer von einem sehen will, sind extrem hilfreich – denn indem man die einzelnen Spieler stärkt, stärkt man auch die Mannschaft.

Und erreicht damit quasi automatisch das Ergebnisziel, das man sich als Mannschaft gesetzt hat …

Genau. Wenn allen in der Mannschaft klar geworden ist, dass das Ergebnisziel am besten über das Erreichen der Prozessziele jedes Einzelnen zu schaffen ist, hat man eine neue Dynamik für das ganze Team gewonnen und jeder begreift sich als wichtiger Teil des Ganzen. Denn auch, wenn jeder Spieler natürlich wichtig ist, ist die Prämisse: Teamziel geht vor Einzelziel – so wichtig der Konkurrenzkampf auch sein mag, in einer Mannschaft muss man sich da manchmal trotz allem unterordnen.

Darum macht man ja auch einen Mannschaftsport – um gemeinsam etwas zu erreichen, oder?

Das sagen viele, aber noch zu wenige leben es wirklich. Wenn man aber genau hinguckt, ist der einzelne Erfolg wie die Trefferanzahl häufig wichtiger als doch noch einmal zu dem abzuspielen, der besser steht und eine bessere Wurfposition hat.

Sollte man im Jugendbereich im Hinblick darauf überhaupt noch Torschützenlisten führen – gerade bei den jüngeren Jahrgängen?

Das kann man natürlich trotzdem machen, aber Tore dürfen nicht die einzige Währung sein. Ich war letztens bei einem Jugendspiel, wo von der Bank und von der Tribüne jedes Mal die Torschützen gelobt wurden. Die beiden Mädels, die zwar selbst keine Tore warfen, aber den Gegner extrem stark gestört und die Bälle erkämpft haben, bekamen hingegen überhaupt kein Lob. Da muss das Bewusstsein der Trainer sensibilisiert werden, denn auch diese Spieler, die gute Arbeit machen und sich an die Vorgaben halten, müssen gelobt werden.

Wenn jeder Trainer mit Kommunikation und einfachen Änderungen so viel bewirken und damit auch einen Effekt erzielen könnte, warum wird es dann – gefühlt – noch so verhältnismäßig wenig gemacht?

Wir hinken in Deutschland im Bereich der Trainerschulung noch hinterher. In den skandinavischen Ländern ist das Mentaltraining ein fester Bestandteil der Ausbildung, doch bei uns gibt es noch keine einheitliche Struktur. Ob man beispielsweise in der B-Lizenz Lehreinheiten zum Mentaltraining hat, hängt vom Landesverband ab – es ist als sehr, sehr zufällig, ob einem Trainer Bausteine an die Hand gegeben werden, wie er das Mentaltraining in sein normales Training integrieren kann. Hätten wir dort einen roten Faden, hätten wir mehr Trainer, die auf Mentaltraining Wert legen und es praktizieren. Wir brauchen eine landesweit gemeinsame Basis.

Wenn wir hier jetzt von Ergebnis-, Entwicklungs- und Prozesszielen reden, klingt das alles sehr strukturiert. Wie würden Sie diese „einfachen“ Teambuildingmaßnahmen wie ein gemeinsames Wochenende bewerten?

Die können gerade deshalb sehr hilfreich sein, weil sie Spaß machen und man sich im Team dadurch neu, anders oder besser kennenlernen kann. Sollte es sich jedoch um erzwungene Maßnahmen handeln, weil es gerade nicht läuft und man jetzt auf Knopfdruck Teambuilding und Erfolg haben will, kann es nicht funktionieren. Allein die Vorgabe eines Vereins, dass entsprechende Maßnahmen durchzuführen sind, ist nicht ausreichend. Die Spieler müssen bereit dazu sein und erkennen, dass sich daraus eine deutliche Leistungsoptimierung entwickeln kann.

Kategorie: